Die Gemeinde Rondeshagen
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Die Kringelhöge

Jahresversammlung des Amtes der Stecknitzfahrer

"Die Kringelhöge ist die seit dem späten Mittelalter in der Hansestadt Lübeck veranstaltete Jahresversammlung des Amtes der Stecknitzfahrer. Die in der Gilde zusammengeschlossenen Schiffer transportierten ab 1398 gut 500 Jahre lang auf dem Stecknitzkanal Salz von Lüneburg nach Lübeck und trugen so zu Reichtum und Macht der Stadt bei. Das Fest der Stecknitzfahrer wird seit dem 14. Jahrhundert nach überliefertem Ritual bis heute jedes Jahr im Januar gefeiert, da früher die Stecknitz zur Winterszeit zugefroren war und der Schiffsverkehr weitgehend lahm gelegt war. Sie findet heutzutage im großen Festsaal der altehrwürdigen Gemeinnützigen Gesellschaft zu Lübeck statt - früher geschah dies im eigenen Haus des Amtes der Stecknitzfahrer in der Hartengrube 25

   
 
früheres Haus des Amtes der Stecknitzfahrer in der Hartengrube 25
 

Im Lübecker Dom, in dem sich der Altar der Stecknitzfahrer von 1422 befindet, wird aus Anlass der Kringelhöge ein Gottesdienst in plattdeutscher Sprache abgehalten.

 
 
 
Der Lübecker Dom - die Kirche der Stecknitzfahrer
 
   
 
Altar der Maria-Magdalenen-Brüderschaft der Stecknitzfahrer. Der Altar der Stecknitzfahrer von 1422 hat die Menschwerdung Christi zum Thema. Im Mittelschrein stehen neben der Maria mit dem Kind die Figuren der heiligen. Katharina und der heiligen Barbara, die gemalten Seitenflügel zeigen adventliche und weihnachtliche Szenen.
 

Der Name Kringelhöge setzt sich zusammen aus dem Substantiv Kringel (Brezel) und dem niederdeutschen Verb "högen" für freuen. Im Mittelalter trugen Waisenkinder bei der Versammlung Lieder vor. Dafür wurden sie mit Brezeln beschenkt, worüber sie sich sehr freuten (högten). In der Gegenwart übernehmen Schulklassen diesen Part und singen Lieder auf Plattdeutsch.Sie werden anschließend traditionell wie seit hunderten von Jahren mit Brezeln beschenkt.

 
 
 
Kinder der Utkiek-Grundschule singen die Lieder auf der Kringelhöge (2008)
 
 
 
 
Auch heute noch werden sie mit den traditionellen Kringeln zum "högen" beschenkt (2008)
 

Die Kringelhöge ist noch im 21. Jahrhundert eine reine Männerveranstaltung mit rund 200-300 Teilnehmern. Frauen sind erst am Abend zum Festball willkommen. Die geduldete Ausnahme geschah  am 18.Januar 2008 als die neue Direktorin und Hausherrin der Gemeinnützigen Gesellschaft, Antje Peters-Hirt, ein sehr kurzes Grußwort vor Beginn der Kringelhöge sprechen durfte, bevor sie sich "in ihre Gemächer zurückzog". Dies war das erste Mal seit über 500 Jahren, dass die reine Männergesellschaft die Anwesenheit einer Frau duldeten, wenn auch für einen kurzen Moment, den sie zu folgenden Worten nutzte :"Jeder hat seine Aufgaben. Meine Aufgabe ist es, sie als Hausherrin zu begrüßen. Ich will keine Spielverderberin sein und mich gleich in meine Gemächer zurückziehen. Zuvor wünsche ich Ihnen noch einen trinkfesten Tag - und grüßen Sie mir Ihre Damen."

Die Kringelhöge im Gebäude der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit wird vom Ältermann, dem Vorsitzenden des Amtes der Stecknitzfahrer, geleitet. Zu den geladenen Gästen gehören Binnenschiffer aus ganz Deutschland und Amtsbrüder wie etwa der Ältermann der Gothmunder Fischer, Kapitäne, nautische Schiffsoffiziere, Vertreter der Hafenwirtschaft und Honoratioren der Stadt wie der Stadtpräsident und der Bürgermeister sowie gesondert geladene Gäste. Eine Einladung an Mitglieder und Gäste hat folgendes Aussehen:

 
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Der "Ältermann" im Jahre 2008 : Hartmut Haase (rechts) mit einem seiner "Schaffer", Herrn Fick
 

Im Mittelalter wurden bei der Kringelhöge alle Anliegen der Stecknitzfahrer erörtert, doch ging es auch darum, gemeinsam zu feiern. Das Treffen findet traditionell als Frühstück statt, zu dem die Stecknitzfahrer früherer Jahrhunderte die Speisen selbst mitbringen mussten. Dies geschieht auch heute noch. Jeder gibt vorher "sein" Frühstück ab, es wird nummeriert und später am Tisch aufgedeckt. Serviert wird dazu in sehr schweren Zinnkrügen ein eigens für diesen Anlass gebrautes Braunbier ohne Schaum, das sehr wohlschmeckend ist. Da für die über 200Anwesenden nicht mehr genügend historische Zinnkrüge vorhanden sind, werden diese durch spezielle Kringelhöge-Krüge aus Ton ergänzt, um den "normalen" Frühstücksdurst zu löschen.

   
 
mitgebrachtes Frühstück : dazu werden Brötchen gereicht + Braunbier + Korn
 
 
 
 
Braunbierkrug für "normales Durstdrinken"
 

Die historischen Zinnkrüge gehen mit einem plattdeutschen Trinkspruch reihum und werden vom Schaffer wieder gefüllt. Schaffer zu sein bedeutet, ein Ehrenamt zur Bedienung der Bruderschaft und der Gäste inne zu haben.. Das Wort "Schaffen" bedeutet sowohl Essen wie auch arbeiten, ausrichten u. erledigen.

 
 
 
einige der Schaffer
 
 
 
 
Schaffer beim Verteilen der Kringel
 
 
 
 
der Senior der Schaffer, Herr Fick
 
 
 
 
Schaffer bei der Arbeit
 
 
 
 
 
Das Emblem der Schaffer mit dem Symbol der gekreuzten Bootshaken der Stecknitzfahrer
 
 

Der Stecknitzfahrer hebt traditionell den Zinnkrug und sagt zu seinem Nachbarn: „Ik drink di to.“ Dieser antwortet: „Dat do.“ Der Stecknitzfahrer, nachdem er getrunken hat:„Ik mag nich mehr.“ Der Nachbar: „Lang mi em her.“ (Ich trinke dir zu. - Mach das. - Ich mag nicht mehr. - Gib ihn (den Krug) mir.)

 
 
 
einer der sehr schweren tradtionellen Zinnkrüge
 
 
 
 
Ik drink di to...
 
 
 
 
Pastor Riemer : Action...
 
 
 
 
das Braunbier schmeckt auch den Gästen Joachim Lindenheim und Herbert Kolossa
 

Getrunken werden auch Korn und Grog, letzterer kommt in Suppenterrinen auf den Tisch, den die Schaffer dort verkaufen. Immer 3 - 4 Personen teilen sich einen solchen Pott.

 
 
 
son lütten Korn bringt mich nach vorn
 
 
 
 
Rumgrog aus der Suppenterrine
 
 
 
 
na dann mal Prost
 
 
 
 
das ist erst mein 5. Glas - lächerlich
 

Zum Brauch der Kringelhögen-Teilnehmer gehört das Rauchen von Tabak in Pfeifen aus Ton mit langem Mundstück. Dabei wird strikt darauf geachtet, den Tabak nur mit einem Holzspan anzustecken. Ein Missachten der Regel wird wie andere Verstöße (Trinken von hellem Bier) gegen die Gepflogenheiten der Stecknitzfahrer von den Schaffern mit einer Strafe geahndet.

 
 
 
Stopfen der Tonpfeife, der Tabak wird gestellt
 
 
 
 
er macht ganz schön Dampf
 
 

 

Rauchen bei der Kringelhöge im Jahre 1900, da waren die Pfeifen noch erheblich länger

 
 
Im Saal aufgehängt sind heute bei der Kringelhöge die bis zu drei Meter langen Schiffswimpel ehemaliger Stecknitzfahrer und Flussschiffer des Amtes der Stecknitzfahrer
 
 
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Die Flagge der "Freiheit"
Mitte : Siegfried Paetows Großvater besaß die "Freiheit"

Verlauf der Veranstaltung im Jahr 2008

Bereits lange vor dem Einlass versammelten sich die Gildemitglieder und Gäste im Vorraum zum großen Festsaal in Erwartung des Einlasses um Punkt 10.00 Uhr. Vordere Plätze garantierten eine guten Startposition, um mit erheblichem Drängeln und Schubsen als erster im Saal zu sein und die besten Sitzplätze für sich und seine Freunde zu ergattern und zu belegen. Vorher plauderte man mit Bekannten und trug sich ins Gästebuch ein oder betrachtete die aufgestellten Modelle von zwei Stecknitzkähnen,auch ein Schifferpatent, das nach der Auflösung des Amtes der Stecknitzfahrer ausgestellt wurde, ist zu bewundern.

Das Gästebuch, im Hintergrund die (Straf)Kasse
Modell 1 eines Stecknitz-Kahns
Modell 2 eines Stecknitz-Kahns
Schifferpatent aus dem Jahre 1845

Im großen Festsaal waren die drei langen Tischreihen in kürzester Zeit besetzt, das erste Braunbier stand bereit und die Schaffer servierten die selbst mitgebrachten Frühstücksportionen; auch die Zinnkrüge wurden gefüllt und mit dem tradtionellen Trinspruch geleert (siehe oben).

 
 
 
Blick in den Saal - rechts im Hintergrund das Traditionsorchester
 
 
 
 
Im Festsaal..
 
 
 
 
Vorstand und Ehrengäste - in der Mitte der Ältermann Hartmut Haase
 

Nach der Begrüßung durch den Ältermann gab es einige Grußworte, u.a. durch den neuen Hafenkapitän Wolfram Kempin der Hansestadt Lübeck. Auch eine kurze Rede zum aktuellem Ausbau des Kanals für Containerschiffe endete mit der Kritik an der Untätigkeit des Lübecker Senats dieses Projekt voranzutreiben. ("Lübeck befindet sich im Kanalschlaf."). Dann wurde des verstorbenen Gildemitglieds Eduard Stühff gedacht. Anschließend wurde ein plattdeutsches Gedicht über die Stecknitzfahrer von Heinz Klockmann aus dem Jahre 1901 vorgetragen und mit dem Wahlspruch der Stecknitzfahrer abgeschlossen : "Nicht Zwietracht störe unsere Einigkeit".

    
 
Nicht Zwietracht störe unsere Einigkeit
 
 
 
 
 
Die Festordnung der Stecknitzfahrer für die Kringelhöge aus dem Jahr 1426
 
 

Musikalische Untermalung gab es durch das Polizei-Traditionsorchester, das wirklich virtuos und, der Würde der Veranstaltung angemessen, aufspielten; besonders der Trompeter war bemerkenswert. Es begleitete denn auch die von den Teilnehmern mit Inbrunst gesungenen Liedern, deren Texte im Heftchen "Lieder zur Kringelhöge" vorlagen, so z.B. das "Lübecklied" (s.o. im Menü : "Kringelhögel-Lieder)

Noten des Traditionsorchester für die Kringelhöge
der brilliante Trompeter beim Solo

Gegen 14.30 Uhr ging die Veranstaltung dann langsam dem Ende zu. Immer mehr Teilnehmer verließen mehr oder minder geschafft den Saal. Der eine oder andere Korn bzw. Grog hatte seine Wirkung gezeigt. Ein kleines helles Absackerbier im Vorraum war genauso gefragt wie der von den Damen bereit gestellte Kaffee und Kuchen zum Ausklang. Die Schaffer waren auch geschafft und begannen mit dem Abräumen und konnten sich allmählich entspannen. Alles war gut gelaufen : Bis zur nächsten Kringelhöge, 2009 !

 
 
 
Die Reihen lichten sich - die ersten gehen...
 
 
 
 
Tschüss Erwin - komm gut nach Haus und grüß schön, falls du zu Worte kommst..
 
 
 
 
auch der Schaffer ist geschafft...
 
 
 
 
aber kann noch lachen..
 
 
 
 
stilvolle Einnahme von Kaffee und Kuchen zum Schluss
 
 
 
 
die Damen, die das alles organisiert haben, sagen Tschüüüss...