Die Gemeinde Rondeshagen
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Maria Otto : von Bessarabien nach Groß Weeden

eine Groß Weedenerin erinnert sich

 
 
 
Maria Otto am 02.08.2008 - auf dem Tisch ein Buch über ihren Geburtsort "Katzbach"
 

Maria Ottos Lebensweg begann im heutigen moldawisch-ukrainischen Grenzgebiet, in "Bessarabien". Wikipedia berichtet über die deutsche Volksgruppe der Bessarabien-Deutschen wie folgt :

Die Bessarabiendeutschen sind eine deutsche Volksgruppe innerhalb der Schwarzmeerdeutschen, die zwischen 1814 und 1940 in Bessarabien (heutiges Moldawien und heutige Ukraine) lebte. Sie wanderten mit etwa 9.000 Personen zwischen 1814 und 1842 aus Baden, Württemberg, dem Elsass, Bayern sowie aus einst preußischen Gebieten im heutigen Polen in das damalige russische Gouvernement Bessarabien am Schwarzen Meer ein. In ihrer 125-jährigen Geschichte waren die Bessarabiendeutschen eine bäuerliche Bevölkerung. Sie waren bis zu ihrer Umsiedlung ins Deutsche Reich 1940 als Folge des Hitler-Stalin-Pakts mit rund 93.000 Personen und 3 % Bevölkerungsanteil eine Minderheit. Prominentester Vertreter dieser Volksgruppe ist der deutsche Bundespräsident Horst Köhler. Seine Eltern lebten bis zur Umsiedlung 1940 in der deutschen Kolonie Ryschkanowka in Nordbessarabien, danach übergangsweise in einem Lager im Deutschen Reich und wurden schließlich 1942 im besetzten Polen angesiedelt, wo Horst Köhler 1943 geboren wurde.

Maria Otto wurde am 25.03.1924 als eines von 9 Kindern des Maurers Gottlieb Kempe (*11.9.1876) und seiner Frau Lydia (*14.09.1885) in Katzbach geboren.

 
 
 
In den 1920er : im Hintergrund das Haus der Familie Kemp (mittig,alleinstehend). Die Häuser wurden aus ungebrannten Lehmziegeln erstellt und dann verputzt. Die Dächer waren mit Reet gedeckt .
 

Die Familie Kempe war wie alle Mitbürger in der damaligen Zeit sehr religiös, bot die Kirche doch einen starken kulturellen Zusammenhalt im fremden Land. Die deutsche Sprache wurde damals von Rumänien nur geduldet. In ihrer deutschen Schule erhielt Maria nur insgesamt 4 Wochenstunden echten Deutschunterricht, der restliche Stoff wurde in der vierklassigen Dorfschule auf Rumänisch vemittelt.

 
 
 
Schule und Kirche von Katzbach
 
   
 
Schulklasse 1935 : Maria - in der 3. Reihe von oben, die dritte links
 

Bald nach Konfirmation (1938) verließ die Familie ihre jetzige Heimat Bessarabien. Der Hitler-Stalin-Pakt von 1940 zwang zur Umsiedlung ("Heim ins Reich"). In einer mehrmonatigen Odyssee gelangte die Familie nach Westpreussen und erhielt in Ort Wiesenwald in der Nähe von Danzig eine kleine Hofstelle von ca. 60 Morgen mit 2 Pferden, 3 Kühen, Schweinen und Geflügel. Die dort ansässigen Polen waren zuvor vertrieben worden. Maria arbeitete wie ihre Geschister auf dem Hof. Im Jahre 1944 zwangen die russischen Truppen die Familie zur Flucht Richtung Westen mit Pferd und Wagen. Sie wurden jedoch bald eingeholt und festgesetzt, durften jedoch 1945 im Viehwaggon zurück nach (West)Deutschland "reisen". (Link : Die Flucht)

Die Familie fand in Klein Boden/Kreis Stormarn ihre neue Wohnstatt. Maria ging im Alter von 21 bei einem Bauern in Rethwischdorf als Dienstmädchen "in Stellung". Geliebt hat sie diese Arbeitsstelle nicht allzusehr, da der Bauer immer "hinter ihr her war". Nach 21 Monaten gelang es ihr, eine neue Stelle als Landarbeiterin auf Gut Treuholz zu ergattern.

   
 
Herrenhaus von Gut Treuholz, erbaut 1904
 

Dort lernte sie auch ihren Mann Willi Otto kennen (*01.12.1901), der zu dieser Zeit das Amt des Gutsvogtes vorübergehend ausübte. Als dann ein gelernter Gutsverwalter eingestellt wurde, zog die Familie (Heirat : 17.04.1947) im April 1954 nach Groß Weeden um, wo Willi Otto eine Anstellung als Deputatarbeiter erhielt. 1949 wurde der erste Sohn geboren, Hans-Peter, der aber bald an Hirnhautentzündung starb, es folgten 1951 Tochter Annegret und 1954 eine zweite Tochter, Marita - auch sie starb frühzeitig, unmittelbar nach der Geburt. Marias Ottos Mutter, Lydia Kempe, wohnte bis zu ihrem Tode (14.09.1885 - 06.05.1964) bei ihrer Tochter und dem Schwiegersohn in Groß Weeden.

Gutsinspektor war in den 50er Jahren Willi Först, in den 60er Jahren Horst Grewe. Danach folgte Peter Hay als Verwalter. Sie alle waren angestellt, um die Wirtschaftlichkeit des Gutes zu garantieren. Der Gutshof hatte zu dieser Zeit 55 Milchkühe, betrieb Schweinemast und landwirtschaftlichen Anbau. Bis in die 60er Jahre wurden Arbeitspferde gehalten (man hatte 3 Pferdeknechte).

Das Gut wurde von der dänisch-stämmigen Adelsfamilie von Krogh ca 1895 erworben . Nur der erste Besitzer, Emil von Krogh und seine Frau Emma, betrieben das Gut anfänglich weitgehend selbst. Später wurden Verwalter eingestellt. Maria Otto, die wie ihr Mann auf dem Gut arbeiteten, beschreibt Emma von Krogh als "hochherrschftlich" und "standesbewusst", sie wusste das Personal auf Abstand zu halten. Wenn ihr Dienstmädchen Hella, meldete, dass Herr Burmeister, der Kutscher, angespannt habe, antwortet Emma von K. der sei "nur ` Burmeister` - nicht Herr Burmeister - , Herren sind wir..."

Es folgte Sohn Bernhard (17.01.1900 - 02.12.1972) , verheiratet mit Annelis, geb. Lange. Sie hatten zwei Söhne (Jörg-Uwe, Albrecht) und drei Töchter (Marion, Ragnar und Astrid),

Über eine der Töchter berichtet die Rondeshagnerin Ella Thorn aus ihrer Dorfschulzeit um ca 1949 : Die Fenster zur Dorfstraße waren mit Kalk von innen blind gemacht worden, damit die Kinners nicht abgelenkt werden konnten. Eine Uhr hatte keiner, aber wenn draußen die Fahrgeräusche der Kutsche aus Groß Weeden zu hören waren, dann wussten alle : die von Krogh-Tochter wird abgeholt, das bedeutete: der Schulschluss ist nahe. Allerdings nahm der Kutscher selten die anderen Schulkinder aus Groß Weeden mit; die durften bei Wind und Wetter den unbefestigten, häufig schlammigen Weg in Gummistiefeln nach Haus laufen. Manchmal erbarmt er sich und dann ging ein großes Gerangel um die wenigen Sitzplätze los; die nicht so Glücklichen hängten sich dann hinten an den Wagen, der sich dann stark neigte.

Enkel Jörg-Uwe von K. sollte später der letzte Eigentümer von Gut Groß Weeden werden. Er hatte mit seiner Frau Elisabeth zwei Kinder, Elmar und Esther. Ca. 1980 verkaufte er eine Reihe der Arbeiterhäuser des Gutes und steckte einen Teil des Erlöses in die Renovierung des Herrenhauses mit seinen 28 Zimmern; die Eigentums- bzw. Verfügungsverhältnisse waren kompliziert, da das Gut vom Vater Bernhard an die Firma Ströh verpachtet worden war (1967-1993/94). Jörg-Uwe von Krogh ist mit dieser Reglung nie einverstanden gewesen, rechtlich hat er dies jedoch nicht abändern können.

    
 
Das Herrenhaus im Jahre 2007
 

Als Jörg-Uwe von Krogh und seine Familie im Jahre 1997 hätten das Herrenhaus verlassen müssen, wählte er am 25.01.1997 den Freitod. Begraben ist er wie alle aus der Familie Krogh auf dem Familienfriedhof im Wäldchen auf dem Gutsland zwischen Groß und Klein Weeden (siehe auch Waldfriedhof Fam. von Krogh)

    
 
Grab von Jörg-Uwe von Krogh, dessen Beerdigung auf dem Familienfriedhof von seiner Frau Elisabeth gegen erheblichen behördliche Widerstand noch durchgesetzt wurde
 

Die Familie Otto lebten als "Deputatarbeiter" auf Gut Groß Weeden. Das bedeutete, dass nur ein Teil der Bezahlung in Bargeld erfolgte, das meiste wurde durch folgende Leistungen entgolten:

  - freies Wohnen in einem der Landarbeiterhäuser
  - ein Ferkel zur Schweinemast und jährlichen Schlachtung
  - monatlich 3 Zentner Getreide zur Viehfütterung
  - täglich 3 Liter Milch
  - ein Hausgarten zur Bewirtschaftung
  - 3 Festmeter Holz, 2 Fuder Buschholz und Briketts zum Heizen
   
 
Haus in Groß Weeden (heute) , das von der Familie Otto zur Hälfte bewohnt wurde
 

Marias Ehemann Willi Otto verstarb 1974. Maria Otto verblieb in der Deputatwohnung des Gutes bis zu deren Verkauf durch Jörg-Uwe von Krogh (ca. im Jahr 1980). Sie hat bis dahin immer wieder kleinere Arbeiten auf dem Gut gehabt und war als Tagesmutter für Groß Weedener Familien tätig. Dann zog sie nach Berkenthin um. Ihr Hab und Gut wurde noch mit Treckker und Anhänger des Gutes transportiert.

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Ein paar Infos über Katzbach in Bessarabien

 
 
  Wappen der Bessarabien-Deutschen Wappen von Bessarbien
     
 

Das Wachstum der deutschen Bevölkerung Bessarabiens zeigt die folgende Tabelle

1827 : 9355  Personen
1857 : 22330 Personen
1858 : 24159 Personen
1861 : 33501 Personen
1890 : 42681 Personen
1897 : 59998 Personen
1919 : l9000 Personen
1930 : 80192 Personen
1938 : 87641 Personen

Umgesiedelt nach Deutschland (Link) wurden im Oktober 1940 : 93329 Personen.

 
 

 

 

Lage von Bessarabien im heutigen Europa. Es grenzte an die heutige Ukraine im Osten und Moldawien im Westen und hatte Zugang zum Schwarzen Meer im Süden

 
   
 
Katzbach liegt direkt über dieser Angabe