Die Gemeinde Rondeshagen

 

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Geschichte der Stecknitzfahrt ..................
 
Artikel vom Älterman Hartmut Haase 2012
 
"Von der Maria-Magdalenen-Bruderschaft zum Amt der Stecknitzfahrer"
 
 

Erstmalig erwähnt werden zwei Stecknitzfahrer in einer Urkunde vom 29. Mai 1415. Das Vorhandensein eines Zusammenschlusses ist erst gut sieben Jahre später erkennbar.Ähnliche Bruderschaften gab es in Lübeck hauptsächlich im 14. und 15. Jahrhundert. Fast jedes Handwerk und jedes Bürgerliche Kollegium war gleichzeitig zu einer christlichen Bruderschaft zusammengeschlossen. Die Maria–Magdalenen–Bruderschaft der Stecknitzfahrer kam im Dom zusammen und muss zu dieser Zeit schon recht vermögend gewesen sein. Da sie 1569 bereits 62 Mitglieder hatte, sollte im Dom ein eigenes Gestühl für sie reserviert sein. 1567 kauften sie es beim Domwerkmeister. Auch in der Möllner Kirche ließen sie sich 1576 ein eigenes Gestühl bauen. Die Größe und der enge Zusammenhalt der Bruderschaft zeigen sich auch daran, dass ihnen 1566 vom Werkmeister des Domes ein gesonderter Begräbnisplatz auf dem Domfriedhof in Lübeck zugesichert wurde.

Einerseits zeigen die Stiftungen der Bruderschaft die christliche Einstellung der Stecknitzfahrer, andererseits fiel es ihnen sehr schwer, sich an die christlichen Gebote zu halten. Ein Schleusenmeister sagte 1577 von ihnen: „Se sund motwillige Minschen, de nich Gott noch Minschen achten“. Erich Herzog von Sachsen-Lauenburg, beschwerte sich 1430 beim Rat der Stadt Lübeck über einen Stecknitzfahrer, weil er gegen den heiligen Christlichen Glauben gelästert hatte.

Auch vor Eigentumsdelikten und der Veruntreuung der mitgeführten Kaufmannsware schreckten sie nicht zurück. Auf ihren Fahrten verkürzten sie sich die langen Wartezeiten vor den Schleusen in den von den Schleusenmeistern unterhaltenen Krügen. Hierbei kam es öfter zu den üblichen Wirtshausstreitigkeiten und Schlägereien.

Aus der Bruderschaft wurde um die Reformationszeit immer mehr eine eng zusammengeschlossene Berufs- gemeinschaft. Einer der Gründe lag darin, dass ihre Mitgliederzahl mit der Abnahme der Bedeutung des Lüneburger Salzes für den Lübecker Markt sank. Die Einstellung der Schiffer erfolgte durch die Salzführer [Lübecker Kaufleute, die den Handel und die Vermarktung betrieben]. Die Stecknitzfahrer wollten ihren Kreis möglichst klein halten, um die guten Verdienstmöglichkeiten zu bewahren. Immerhin brachte die Stecknitzfahrt im 16. Jahrhundert einen guten Lohn, und daher war eine Anstellung begehrt. Um sich gegen ihre Herren besser durchsetzen zu können, strebten sie danach, eine selbständige Schifferinnung mit korporativen Rechten zu werden. Dies stieß auf den starken Widerstand der Salzführer, die sich deshalb an den Rat der Stadt Lübeck wandten, der sich in einem Dekret von 1513 ebenfalls gegen das Ansinnen der Stecknitzfahrer aussprach.

Im Jahr 1592, nach Erlangung der korporativen Rechte durch den Rat der Stadt Lübeck, fühlten sie sich erst recht stark. Ihre Macht zeigte sich zum Beispiel darin, dass sie von jedem Böttchermeister der Stadt Lüneburg, der Stabholz die Delvenau hinauf beförderte, einen halben Reichstaler zum Unterhalt der Wege und Stege im Herzogtum Lauenburg forderten. Die Böttcher konnten sich nicht dagegen wehren, sondern mussten zahlen.

Im Jahr der indirekten Anerkennung durch die Salzherren erwarben sie in der Hartengrube in Lübeck ein Haus als Versammlungslokal.

 

siehe auch:

Amtshaus der Stecknitzfaher 1905

Die Kaufmannschaft billigte ihnen die Eintragung der Kruggerechtigkeit ins Oberstadtbuch zu. An diesem Amtshaus brachten sie außen ihr Wappen an. Im Erdgeschoss wurde ein Krug eingerichtet, der mit zwei langen, schmalen Eichentischen und hochlehnigen Bänken ausgestattet war. Im Oberstock wurde ein Gemeinschaftssaal geschaffen. In der Diele hing ein Stecknitzfahrerschiff in kleinem Maßstab. Für ihr Amtshaus stellten sie eine Art „Hausordnung“ und für das Amt eine „Amtsordnung“ auf, an die sich jeder zu halten hatte, und so wurden sie als Gemeinschaft anerkannt.

Deshalb blieb dem Rat der Stadt Lübeck nichts anderes übrig, als ihre in einer „Amtsrolle“ zusammengefassten Regeln 1636 zu bestätigen und sie zum „Amt der Stecknitzfahrer“ zu ernennen. Die Stecknitzfahrer sind laut Amtsrolle Lübecker Bürger. Jedes neue Mitglied hat zur Amtslade und zur Totenlade der Bruderschaft Eintrittsgeld zu entrichten. Auseinandersetzungen zwischen Salzführern und ihren Knechten, das waren die Stecknitzfahrer, bedurften einer Vermittlung des Ältesten. Das Übereinkommen zwischen ihm und den Salzführern ist für das Amt verbindlich. Bei Widersetzlichkeit erfolgt „Entsetzung von der Fahrt“, Verbödung derselben und Verlust der Stadtwohnung.

Anmerkung: Regeln des Amtes der Stecknitzfahrer von 1636

  • Stecknitzfahrer sind Lübecker Bürger
  • Jeder ist dem Ältermann Gehorsam schuldig
  • alle Zusammenkünfte bedürfen der Zustimmung der Ältesten
  • Beschwerden sind nur dem Ältermann vorzulegen
  • Die Stecknitzfahrer sollen mit ihrem Lohn zufrieden sein.
  • Sie sollen die Schiffsladung gut behandeln und sind für Verluste haftbar
  • Sie müssen jede Ladung annehmen
  • Sie müssen die Schleusenordnung beachten
  • Der Ältermann der Stecknitzfahrer [Amtszeit : 1 Jahr und länger] muss vor der `Wette` [vergleichbar mit der heutigen Industrie- und Handelskammer] einen Eid leisten, dass er das Amt in Gehorsam gegen ihre [Salz-] Herren halten will.
  • Er kann bei kleinen Vergehen Strafen verhängen
  • Der Ältermann hat bei Ausscheiden eines Stecknitzfahrers für einen neuen zu sorgen oder, wenn keiner zu beschaffen ist, die freien Schiffe unter die anderen zu verteilen.
  • ein neu eintretender Knecht hat sich beim Ältermann zu melden, sich bei der Wette einschreiben lassen und 4 Schilling zu bezahlen, ehe er zur Fahrt zugelassen wird.
  • Jeder neu Eingetretene hat zur Erhaltung der Leuchter in den Kirchen und zur Notdurft der Bruderschaft 20 Mark lübsch, "Ausheimische" 30 Mark lübsch, an Eintrittsgeld zu entrichten.

Die Amtsrolle ging auch auf Lohnstreitigkeiten ein, aber abgesehen von kleinen Lohnstreitigkeiten zwischen einzelnen Stecknitzfahrern und ihren Herren sind nach dieser Zeit keine Lohnforderungen mehr bekannt. Der Ältermann hatte die Aufsicht über die Stecknitzfahrer, konnte sie bei kleineren Vergehen bestrafen und musste größere Vergehen der Kaufmannschaft anzeigen. Auch durfte nur er mit Stricknetzen fischen und für je drei Schiffe eine Tonne Bier mitführen, außerdem durfte er im Herbst eine Ladung Holz fahren. Die übrigen Stecknitzfahrer durften all dies nicht, ihr Bier zum Beispiel mussten sie an den Schleusen kaufen.

Im Streit zwischen dem Amt und den Salzherren um die Neuaufnahmen in die Amtsrolle entbrannten zwischen Salzführern und Stecknitzfahrern immer wieder heftige Kämpfe. Der Ältermann durfte beim Ausscheiden eines Amtsbruders einen neuen einstellen. Hauptsächlich traten die eigenen Söhne ins Amt ein, weswegen sich gerade in dieser Gilde die alten Familiennamen so lange erhalten haben. Auf dem Kanal waren sie die eigentlichen Herren und dem, der ohne ihre Zustimmung dort fuhr, erging es oft sehr schlecht. Die Salzführer versuchten immer wieder, von sich aus Stecknitzfahrer einzustellen.

Es kam auch vor, dass ein Salzführer seinen Stecknitzfahrer entließ und dann dessen Ehefrau  eschäftigte. So klagten 1724 die Stecknitzfahrerältesten gegen einen Kaufmann und Salzführer, dass er anstatt seines Stecknitzfahrers dessen Ehefrau angenommen habe. Der Salzführer antwortete darauf, dass er ihn wegen seiner beständigen und üblen Reden gegen seine Frau entlassen habe und damit zufrieden sei, dass sie seine Schiffe fahre, da sie auch über die notwendige Erfahrung verfüge. Zu dieser Zeit nahmen die Stecknitzfahrer ihre Ehefrauen meist mit auf Fahrt. Außerdem durfte eine Witwe das Schiff ihres Mannes weiter führen. Das tägliche Leben war durch die Hausordnung von 1576 und die Amtsrolle schon weitgehend geregelt. Da sie Bürger der Stadt waren, mussten sie sich auch an die allgemeinen Ratsverordnungen halten. Sie hatten in der Stadt zu wohnen und sich nach den Öffnungszeiten der Stadttore zu richten. In einem Ratsdekret wurde ihnen nochmals ausdrücklich untersagt, vor Öffnung der Stadttore durch den Baum auf dem Stecknitzkanal zu fahren.

Die Stecknitzfahrer waren fast das ganze Jahr unterwegs, abgesehen von den Wintermonaten, in denen der Kanal zugefroren war. Da der Kanal mit großer Wahrscheinlichkeit im Januar nicht zu befahren war, legten sie ihre Amtswoche in diesen Monat. Sie begann jedes Jahr am Montag nach Dreikönige. Nur in dieser Woche trafen sie sich alle. Deswegen wurden auch alle wichtigen Entscheidungen des Amtes in dieser Zeit gefällt. Man schmückte die Häuser, und der jüngste Amtsbruder ging als Bote zu jedem Mitbruder und sagte die Amtswoche feierlich an. Der wortführende Ältermann klopfte mit einem Regimentsholz dreimal kräftig auf den Tisch, damit war die Amtswoche eröffnet. Der Schriftführer stellte fest, ob alle Amtsmitglieder erschienen waren. Daraufhin begrüßte sie der Ältermann mit den Worten: „Willkam all Brodere altohop“.

Als erstes wurden vorgekommene Streitigkeiten geschlichtet oder als Klage an die Kaufmannschaft weitergeleitet und die Regulierung persönlicher Angelegenheiten der Amtsmitglieder besprochen. Bei den Streitigkeiten innerhalb des Amtes ging es hauptsächlich um die Zahlung des „Tiedgeldes“, des Jahresbeitrags von drei Mark. Hierbei handelt es sich meist um Grenzfälle. So musste auch die Witwe eines Amtsbruders den Beitrag weiterbezahlen, wenn sie seine Schiffe weiterführte. Ein wesentlicher Punkt der Amtsversammlung war das Verlesen bestehender oder neuer Verordnungen oder Vereinbarungen. Dies wurde von den Amtsbrüdern mit lebhaftem Interesse verfolgt, da es sich meist um Bestimmungen für die Berufsausübung oder für das tägliche Leben handelte.

Bei den anschließenden Diskussionen kam es oft zu lautstarken Auseinandersetzungen mit gegenseitigen Beschimpfungen. Zum Beispiel hat der Amtsbruder Michael Heinrich Bruhns seinen Bruder, den Ältesten Bruhns einen „Schlingel und Schweinigel“ genannt. Die Meinungsverschiedenheiten gingen oft so weit, dass es sogar zu Handgreiflichkeiten kam. Von einem Amtsbruder ist bekannt dass er den Ältesten mit einer aufgehobenen Bank bedrohte. Diese beiden Verstöße gegen die Amtsrolle wurden von den Älterleuten zur Aburteilung an die Kaufmannschaft weitergeleitet. Genauso verklagten die Ältesten jeden Mitbruder bei der Kaufmannschaft, der Verordnungen verletzte, die die Fahrt auf dem Kanal betrafen. Zum Beispiel beim eigenmächtigen Öffnen der Schleusen an ungeraden Tagen wurde der nachfolgende Schiffsverkehr stark behindert, weil dann das notwendige Ablaufwasser fehlte. Gegen das Interesse des Amtes war auch, wenn durch überladene Kähne die Schleusen und der Kanal beschädigt wurden. Genauso wenig konnte man es sich gefallen lassen, dass durch Vorbeifahren in der Reihe und Führen von mehr als drei Schiffen auf diesem schwierigen Wasserweg die Sicherheit der übrigen Schiffe gefährdet wurde. Aus diesen Gründen waren die Kaufmannschaft- und Amtsstrafen für diese Vergehen sehr hoch. Das Amt hatte hierfür bestimmte Strafgelder festgesetzt.

Die Kaufmannschaft musste in jedem einzelnen Fall zu der Amtsstrafe gesondert verurteilen, konnte diese aber gegebenenfalls nach unten und nach oben abändern. So musste zum Beispiel ein Stecknitzfahrer 1802 drei Mark Amtsstrafe, sechs Mark Kaufmannschaftstrafe und die Verfahrenskosten zahlen, weil er überladen einen Amtsbruder überholt hatte. Aus verschiedenen Strafbescheiden ergibt sich, dass die Amtsstrafe für das Überladen normalerweise 12 Mark, für „aus der Reihe fahren“ sechs Mark, für das Fahren mit mehr als drei Schiffen zehn Reichstaler, und für unbefugtes Öffnen von Schleusen vier Mark und vier Schilling betrug.

Bei kleineren Vergehen innerhalb des Amtes wurde oft die Amtsstrafe ausgesetzt und neben der Kauf-mannschaftstrafe Abbitte und eine Ehrenerklärung vor dem Ältesten verlangt. Wenn nichts Wichtiges mehr vorlag, berichteten die Älterleute ihren Mitbrüdern, was sie seit der letzten Amtsversammlung selbstständig entschieden hatten und ließen sich dies genehmigen. Danach wurden Heiratsangelegenheiten geregelt, Mitbrüder stellten die Mädchen vor, die sie heiraten wollten. Das Amt legte größten Wert auf Persönlichkeit und Lebenswandel des Mädchens. Die Stecknitzfahrer waren überhaupt sehr darauf bedacht, den Leumund des Amtes nach außen hin zu wahren. So baten sie die Kaufmannschaft im Dezember 1766, einem die Fahrt zu verbieten, weil er aus einem Schiff einen Staken und eine Schaufel gestohlen hatte, und das Amt seinetwegen „Viele Nachrede habe, als wenn es verdächtige Leute unter sich hätte“.

Es gab dann noch eine Abrechnungsversammlung, die um fünf Uhr begann und bis tief in die Nacht dauerte. Das Rechnungsbuch für die Jahre 1808 bis 1846 beginnt mit den Worten: „In Gottes Namen fangen wir unser Amt zu halten an, Gott gebe seinen Segen dazu, dass wir in Segen und Frieden und Einigkeit es vollbringen“. Auf der Versammlung mussten die Älterleute Rechenschaft über die einzelnen Posten dieses Rechnungsbuches ablegen. Als feste Einnahmen folgten die Pachterträge aus den Wiesen des Amtes. Das Amt legte sein Geld anscheinend gern in Grundbesitz an. Weitere Einnahmen flossen dem Amt aus der Verpachtung des Amtshauses mit dem Krug und dem dazugehörigen Gang zu. Die Amtsmitglieder erbrachten das „Tiedgeld“. Hinzu kam das  Aufnahmegeld für Neueintretende, dessen Höhe zwanzig Mark betrug. Die Reisegelder erbrachten für die volle Fahrt von und nach Lauenburg 20 Schilling, bis Mölln 6 Schilling und für die Leerfahrt nur 1 Schilling. Die Einnahmen aus der Armenbüchse, die im Dom stand, liefen über das Amt, das dann über ihre Verwendung bestimmte.

Unterschiedlich war die Höhe der Strafgelder, die zur Hälfte an die Kaufmannschaft weitergegeben werden mussten. Diesen Einnahmen standen auch feste Ausgaben gegenüber. Die Stecknitzfahrer hatten dem Domprediger jährlich für 100 Mark Brennholz zu stellen. Das Aufbringen dieser Summe gestaltete sich oft recht schwierig. Außerdem erhielten Werkmeister, Organisten, Köster, Sargträger und der Kirchenvogt jährlich feste Bezüge. Die Kirchen, in denen das Amt eigene Stühle oder Begräbnisplätze hatte, wie in Lübeck, Berkenthin, Mölln, Nusse, Büchen und Siebeneichen, bekamen bestimmte Abgaben von unterschiedlicher Höhe. Außer eventuellen Sterbegeldern aus der Totenlade folgten noch die recht erheblichen Ausgaben für die Instandhaltung und Säuberung von Kanal und Schleusen.

Diese Aufgabe war von der Stadt Lübeck auf das Amt der Stecknitzfahrer übergegangen, die bei der Ausführung auch von den Salzführern unterstützt wurden. Den Abschluss der Amtswoche bildeten die großen Aufwendungen für die „Kringelhöge“: Am Vorabend, dem sogenannten  Waisenkinderabend, kamen Kinder aus dem nahegelegenen Waisenhaus ins Amtshaus und sangen vor den versammelten Stecknitzfahrern. Diese bewirteten sie dafür mit Kringeln und Getränken. Darüber „högten“ sich die Kinder sehr. Dieser Brauch gab dem Fest den Namen „Kringelhöge“. Vor dem Festball, der den Abend dann beschloss, trafen sich die Amtsbrüder und nahmen an einem langen Tisch Platz zum „Rondor“. Beim Rondor erhielten die Teilnehmer von den gewählten Schaffern nacheinander den Krug mit Braunbier. Nach dem Rondor begann der eigentliche Ball. Ihn eröffneten die sechs Schaffer und ihre Frauen mit dem sogenannten „Schaffertanz“. Nach alter Sitte wurde in Hemdsärmeln getanzt. Im alten Amtshaus war der obere Saal dem Tanz vorbehalten, während unten im Krug getrunken wurde. Die Musiker spielten die Tänze Menuett, Quadrille und Francaise. Die Feier ging bis zum frühen Morgen und war laut und ausgelassen. Beschwerden blieben deshalb nicht aus. 1589 verboten die Salzführer den Stecknitzfahrern alles „Fretende und Supende“ und das „Trummelschlagen“ bei ihren Feiern.

Die recht beachtlichen Aufwendungen für die Kringelhöge im Jahr 1541 unterstreichen sehr anschaulich, wie viel dem Amt an dieser Feier lag. So freigiebig die Stecknitzfahrer auf ihren Festen waren, so großzügig verhielten sie sich auch den Armen gegenüber: 1563 kauften sie in der Hartengrube ein Ganghaus neben ihrem Amtshaus, machten ihn zu ihrem Armengang und ließen in den Buden einige Arme wohnen.

Das Fest hieß nicht immer Kringelhöge, sondern ursprünglich wurde der „Fastelabend“ gefeiert: Der Abend vor Beginn des großen Fastens, wie aus einer Hausordnung von 1570 hervorgeht. Die Stecknitzfahrer blieben auch als Amt immer noch eine christliche Bruderschaft, genau wie alle anderen Ämter. Ihre enge Verbundenheit zur Kirche wird auch weiterhin durch ihre Stiftungen deutlich. 1654 ließen sie am dritten Gewölbejoch des Lübecker Domes eine Lichterkrone anbringen. Im Jahre 1754 brachten sie einen Leuchter mit ihrem Wappen in den Dom. Die Kosten für die Kerzen dieses Leuchters erstatteten sie dem Dom jährlich. Wie aus den Abrechnungen zu ersehen ist,  spendeten die Stecknitzfahrer nicht nur für den Lübecker Dom, sondern auch für die Kirchen entlang des Kanals. Als sie 1667 einen gotischen siebenarmigen Leuchter aus der Stecknitz fischten, ließen sie ihn renovieren und in der Möllner Kirche aufstellen. Hier hat er noch heute einen festen Platz im Altarraum. Da sie auf ihrer Fahrt mehrere Wochen nicht in Lübeck waren, hatten die Stecknitzfahrer mit den Kirchenpatronen in Krummesse, Berkentin, Mölln, Nusse, Büchen, Siebeneichen und Lauenburg Verträge geschlossen. Sie unterhielten ihre eigenen Stühle und hatten auf den Kirchhöfen gesonderte Grabstätten.

1844 regelte die Dänische Regierung mit einer Elbschifffahrts-Revisions-Kommission die Befugnisse ab dem Jahr 1845. Die von der Stecknitz kommenden und für die Stecknitzfahrt bestimmten Güter auf der Elbe durften nicht mehr exklusiv vom Schifferamt in Lauenburg verschifft werden. Es wurde auch das Recht der Stecknitz- und Travefahrer, den Stecknitzkanal alleine zu befahren, aufgehoben. Im neuen Dekret wurde festgelegt: Es steht jedem fremden Schiffer mit vorgeschriebenem Patent eines Elbuferstaates das Recht zu, Waren auf der Delvenau und der Stecknitz sowie auf der Trave von der Einmündung der Stecknitz in dieselbe bis zur Stadt Lübeck oder auf demselben Wege von der Stadt Lübeck bis zur Elbe zu verschiffen. Es wurde jetzt den Stecknitzfahrern und allen anderen Lübeckern mit Bürgerrecht, die eine Befähigung als Schiffsführer nachwiesen und eine Konzession besaßen, erlaubt, unter Lübecker Fagge auch auf der Elbe zu fahren. Diese Bestimmungen traten sämtlich mit dem 1. Januar 1845 in Kraft.

Die neue Verordnung wurde bei einer Amtsversammlung der Stecknitzfahrer verlesen. Die allgemeine Empörung und Bestürzung war groß. Zwar besaßen jetzt schon einige Stecknitzfahrer eigene Schiffe und waren deshalb den Salzführern nicht mehr als Knechte unterstellt, aber die Stecknitzschiffe waren für die Elbe zu klein und hatten eine zu geringe Ladefähigkeit. Die Stecknitzfahrer richteten deshalb in ihrer Amtswoche 1845 eine Eingabe an den Rat der Stadt Lübeck, deren Entwurf von dem späteren Lübecker Bürgermeister Dr. Wilhelm Brehmer verfasst war. Daraufhin gab die Stadt den Stecknitzfahrern Darlehen, die ihnen den Kauf von elbschiffahrtstauglichen Schiffen ermöglichen sollte. Eine Entschädigung für das Inventar ihrer jetzigen Schiffe lehnte die Stadt jedoch ab.

Darüber hinaus gab die Stadt am 25. Februar 1845 bekannt: „Den bisherigen Mitgliedern der aufgelösten Innungen der Stecknitz- und Travefahrer werden die Patente als Schiffs- und Floßführer ohne weiteres weiter erteilt“.

Dazu übernahm die Stadt alle Verpflichtungen des Amtes der Kirche gegenüber. Sie sorgte für die Erhaltung des Gestühls und der Stiftungen im Dom. Auf den Kirchhöfen entlang des Kanals blieben die freien Begräbnisstätten erhalten. Auf ihrem Begräbnisplatz, dem Burgtorfriedhof in Lübeck, dürfen alle Stecknitzfahrer und ihre Frauen beerdigt werden. Dieses Privileg besteht bis heute fort. Am 22. Februar 1845 kamen 37 Stecknitzfahrer in Lübeck im Amtshaus zusammen, um ihr Amtsvermögen unter den Mitgliedern aufzuteilen. Die Besitztümer des Amtes, das Amtshaus, die Wiesen und weiteren Grundstücke sollten verkauft und der Erlös ebenfalls verteilt werden. Zwischenzeitlich waren die Stecknitzfahrer Mitglieder im Verein der Lübecker Flussschiffer. Dieser Verein gab sich 1854 eine eigene Satzung und traf sich, genau wie früher das Amt der Stecknitzfahrer, einmal im Jahr.

    
  Nach Auflösung des "Amtes der Stecknitzfahrer" 1845 ausgestelltes Schifferpatent  

1935 durften die Stecknitzfahrer ihr Amt wiedergründen. Die Mitgliederzahl wurde allerdings auf 40 beschränkt. Es hatte nur noch die Aufgabe, die alte Tradition fortzusetzen. Von der Amtswoche ist einzig die Kringelhöge beibehalten worden, die jedes Jahr am zweiten Freitag nach den „Heiligen Drei Königen“ gefeiert wird. Während früher fast ausschließlich die Amtsmitglieder mit ihren engsten Verwandten und Bekannten teilnahmen, kommen heute die Gäste der Kringelhöge von überall her.

Die Kringelhöge ist heute immer noch eine reine Männerveranstaltung mit rund 200 Teilnehmern. Frauen sind erst am Abend zum Festball willkommen. Die Kringelhöge wird zurzeit im Gebäude der Handwerkskammer Lübeck gefeiert und vom Ältermann, dem Vorsitzenden des Amtes, morgens um 10 Uhr mit der Blasmusik vom Traditions-Polizeiorchester eröffnet. Zu den geladenen Gästen gehören Binnenschiffer aus ganz Deutschland und Amtsbrüder der Lauenburger Schiffergilde, der Präses der Industrie- und Handelskammer, Kapitäne, nautische Schiffsoffiziere, Vertreter der Hafenwirtschaft und Honoratioren wie der Stadtpräsident und manchmal auch der Bürgermeister. Nach der Begrüßung folgt die Ehrenbezeugung für die verstorbenen Amtsbrüder und allen, die in der Schifffahrt ihr Leben verloren haben. Hierzu gibt es vom Blasorchester die Einlage „Ich hatt‘ einen Kameraden“. Im Anschluss bringen die Schaffer die von den Gästen mitgebrachten Spezialitäten zum gemeinsamen Frühstück auf den Tisch. Serviert wird dazu in Zinn- und Tonkrügen Dunkelbier und Krummesser Korn. Die Krüge gehen mit einem plattdeutschen Trinkspruch reihum und werden vom Schaffer wieder gefüllt. Der Festteilnehmer sagt zu seinem Nachbarn: „Ik drink di to.“ Dieser antwortet: „Dat do.“ Der Festteilnehmer, nachdem er getrunken hat: „Ik mag nich mehr.“ Der Nachbar: „Lang mi em her.“ Zwischendurch singen Schulkinder Plattdeutsche Lieder und Honorartioren halten kurze Festreden zur Binnenschifffahrt, Hafen und über den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals. Nach dem Frühstück gibt es dann die Tonpfeifen und Grogbowle, der in Suppenterrinen auf den Tisch kommt. Hierzu kommen Musikeinlagen mit alten Stecknitzfahrerliedern vom Orchester. Etwa gegen 14.30 Uhr wird dann der Festsaal von den Schaffern geräumt und die Männer sind von den Frauen der Amtsbrüder zum Kaffeetrinken im Nebensaal eingeladen. Abends wird der Ball mit den Frauen um 20 Uhr mit dem Schaffertanz eröffnet, und gemütlich geht dann der Festtag am anderen Morgen zu Ende.

Zusammenfassung

Ein Vergleich zwischen dem Amt der Stecknitzfahrer und anderen Lübecker Ämtern zeigt Übereinstimmungen in den Beziehungen zu Rat und Kaufmannschaft, im Verhältnis zur Kirche und im Amtsleben. Zur Ausübung eines Gewerbes gehörte für alle der Erwerb des Bürgerrechts. Um das Bürgerrecht zu erhalten, musste das Bürgergeld gezahlt und ein Führungszeugnis vorgewiesen werden. In späteren Jahren kam das Leisten eines Bürgereides hinzu. Um den Bürgereid ablegen zu können, mussten zwei Bürgen gestellt werden, meist waren es die Älterleute des Amtes. Eine Gemeinsamkeit mit den anderen Ämtern war die enge Beziehung der Stecknitzfahrer zu ihrer Kirche.

Um den Mitgliedern des Amtes oder deren Angehörigen die bei einem Sterbefall entstehenden Ausgaben zu erleichtern, gab es die Totenlade, in die sich jeder Neueintretende einkaufen musste und für die ein regelmäßiger Beitrag zu entrichten war. Die Stecknitzfahrer waren bemüht, den Kreis ihrer Amtsmitglieder möglichst eng zu halten, um ihren regelmäßigen Verdienst sicher zu stellen. Fremde wurden nur aufgenommen, wenn sie eine Amtstochter oder Amtswitwe heirateten. Die übrigen Ämter hielten es ebenso, Gesellen mussten entweder eine Meistertochter oder Meisterwitwe heiraten, um Meister werden zu können. Trotzdem unterscheidet sich das Amt der Stecknitzfahrer in wesentlichen Punkten von den anderen Lübecker Ämtern. Der Beruf Stecknitzfahrer war nicht zünftig erlernbar.

Zwar sagen sie, dass sie keinen aufnehmen wollen, der keine „Wissenschaft von der Stecknitzfahrt“ besitze, jedoch war der Beruf des Stecknitzfahrers kein Lehrberuf.