Die Gemeinde Rondeshagen
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Groß Weeden

Die "Chronik" von Herrn Düring aus Sierksrade

In den Jahren 19..... - ................. gab Herr Jochen Düring eine Einlage zum `Ratzeburger Markt`, die "chronik", im Selbstverlag heraus, die sich u.a. mit geschichtlichen und zeitgeschichtlichen Vorkommnissen unserer Region befasste. Er verstarb ........ [wird nachgeliefert]. Seine Witwe Ulla Düring hat mir einige Seiten heraus gesucht, die sich mit Groß Weeden auseinander setzten. Ich habe sie ungekürzt im Original übernommen; inweiweit sie inhaltlich korrekt sind, kann ich derzeit nicht verifizieren. Ich zitiere sie so, wie sie mir vorliegen:

Kleine Groß-Weeden-Story
 
"1880 gab es im damaligen Schleswig-Holstein 2124 Gemeinden: Sie setzten sich aus 54 Städten, 359 Gutsbezirken und 1729 Landgemeinden und selbständigen Flecken zusammen. 977 000 Menschen lebten in diesem Teil des Königreichs Preußen, das zum deutschen Kaiserreich gehörte, wie es nach dem deutsch-französischen Krieg 1871 in Versailles proklamiert worden war.

In der deutschen Republik Weimarer Prägung nach dem Ersten Weltkrieg wagte sich die preußische Regierung unter ihrem Ministerpräsidenten erst 1927 an die Abschaffung der als aristokratische Überbleibsel diffamierten selbständigen Gutsbezirke. In der Provinz Schleswig-Holstein wurden derzeit alle bis auf vier für aufgelöst erklärt.

Dem Vorsteher des Gutsbezirks Groß Weeden wurde zunächst angeboten, sich frei für einen Anschluß an die Gemeinden Bliestorf, Rondes­hagen oder Sierksrade aussprechen zu dürfen. Doch noch ehe er sich offiziell äußern konnte, wurde die Möglichkeit Sierksrade von Seiten der Reichsregierung wieder gestrichen. Inzwischen war den zuständigen Beamten in der Reichshauptstadt Berlin eingefallen, dass Sierksrade seit Jahrhunderten ein lübsches Dorf war. Selbst in der Weimarer Republik war die Stellung Preußens so stark, dass niemand es wagen konnte, den preußischen Gutsbezirk Groß Weeden an die freie und Hansestadt Lübeck abzutreten.

So blieb den Weedenern nur die Auswahl zwischen Bliestorf und Rondeshagen. Der Gutsbezirksvorsteher plädierte für Rondeshagen — aus historischen Gründen, wie er argumentierte und natürlich wohl auch wegen der Ziegelei und ihrer Abbaurechte, die übrigens nach wie vor beim Rondeshagener Kaufmann Hein liegen, der sie von 1964 bis zur Stillegung der Ziegelei Groß Weeden am 12. Juni 1972 der zuletzt der Possehl­Gruppe gehörenden Firma Lüders & Hintz überlassen hatte. Der heutige Mieter ist an ihrer Löschung offenbar nicht interessiert, obwohl sie zur Zeit bedeutungslos sind.

Die lübschen Sierksrader hatten ehedem gern eine Abrundung ihrer Dorfgemarkung durch die Weedener Liegenschaften gesehen. Als das sich als unmöglich erwies, hielten sie sich insofern schadlos, als ja das Ziegeleibüro auf Sierksrader Gebiet liegt und deshalb die Gemeindesteuern der jeweilige Unternehmer nach Sierksrade entrichten muß.

Die Rondeshagener protestierten um 1928 dagegen und erreichten, dass wenigstens für alle in der auf Rondeshagener Gebiet liegenden Tongrube Beschäftigten die Steuern an die Gemeinde Rondeshagen abgeführt werden mussten. Als aber bald Maschinen für den Abbau eingeführt, deren Bedienung nur wenige Arbeiter besorgten, war es um diesen Anteil am Lohnsteueraufkommen der Ziegelei für Rondeshagen geschehen.

Mit Jahresbeginn 1964 überließ Gutsbesitzer B. von Krogh die Fluren Groß Weedens, auf denen sich heute die Schleswig-holsteinisch-hamburgische Sondermülldeponie und ein nächtelang oft vor Lärm berstender Diskoschuppen befinden, der damals in der Hansestadt Lübeck ansässigen Firma Lüders & Hintz. Sie beutete die Ton- und Sandgruben aus und nutzte die alten Ziegeleianlagen. Um 1946 war diese Firma bereits vom Gut als eine Art Subunternehmer eingeschaltet worden. Doch bald nach der direkten Übernahme wurde Lüders & Hintz von der bundesweit und international tätigen lübschen Possehlgruppe übernommen, dessen oberster Direktor, Konsul Höhl, den Neuerwerb einige Male persönlich in Augenschein nahm. Der Name Lüders & Hintz wurde noch eine Weile fortgeführt; dann erlosch er.

Das Ende der Ziegelei kam nach langsamen Sterben offiziell mit dem 12. Juni 1972. Das Unternehmen wurde wegen Unrentabilität geschlossen, nachdem vorangegangene Überlebensversuche durch Produktion von Kunststoffsteinen keinen wirtschaftlichen Erfolg gebracht hatten. Etwa um 1900 bis um die Zeit des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs 1914 hatten die Kroghs die Gruben selbst’ genutzt und unter anderem Drainageröhren herstellen lassen. Auch mit Kies- und Sandlieferungen wurden vom Gut Geschäfte gemacht. Betriebsleiter Pötsch war nach Arbeitsschluß lange Jahren gern gesehener Gast im Ehlerschen Krug in Sierksrade.

    
 
Zweiter von links : Betriebsleiter Pötsch in den 1940er
 

Während des Zweiten Weltbriegs waren in den Ziegeleihallen Lastenfallschirme eingelagert worden, die die Dornierwerke für die großdeutsche Luftwaffe hergestellt hatten. Am 2. Mai 1945 lag Groß Weeden ab etwa 10.00 Uhr unter Beschuß von in der Kastorfer Gegend aufgefahrenen britischen- Panzern. 11.30 Uhr erfolgt die Übergabe an die Besatzungssoldaten, die bis zum 13. August 1945 dort einen Militärposten unter einem Sergeant einrichten.

Sondermüllgesellschaft kaufte ein ganzes Gut
Seit 1802 bestand Groß Weeden als selbständiges Gut. Bis dahin diente das Anwesen dem Gut Rondeshagen als Meierhof. 1895 hat Emil von Krogh, der aus einer königlich-preußischen Offiziersfamilie von der vorpommerschen Insel Rügen stammte, Groß Weeden gekauft. Damals sah das Gut so aus, wie das Foto auf der Titelseite es zur Winterzeit zeigt (s.u.) :

    

Im Hintergrund das alte Herrenhaus, links und rechts davon strohgedeckte Fachwerkbauten als Scheunen.

 
 
 
Der Düringsche Text unter diesem Bild : "Die Groß Weedener Scheune im Bild vorne rechts weist an der Vorderfront unter ihrem Dachfirst neben den Bauherrninsignien E.v.K. das Baujahr 1899 aus. Im Hintergrund dieser kurz nach 1900 entstandenen Winteraufnahme sind die Schornsteine der Ziegelei erkennbar, von denen zwei 1985 gesprengt worden sind. Das Foto ist vom alten Herrenhaus aus gemacht worden."
 

Mehr als ein halbes Dutzend Gutsbesitzer waren im neunzehnten Jahrhundert vor von Krogh nicht zurechtgekommen. Durch ihn wurden nach seiner Heirat 1889 mit der Bankierstochter Emma Loose aus Bremen zahlreiche Neubauten und Neuerungen veranlaßt. Die Ehefrau brachte über eine Million Goldmark als Mitgift in das Gut ein.

Alle alten Bauten wurden beseitigt und neue errichtet wurden - mit Ausnahme der früheren Meierei, die heutzutage als Verwalterhaus eingerichtet ist, und des 1991 nach wie vor erhaltenen Inspektorenhauses vor der Zufahrt zum Gutshof. Das hölzerne Schild auf dem Titelfoto, das die Aufschrift „Gutsbezirk Gr. Weeden" trug, wies das Gelände als einen Bereich mit einer Art eigener Gemeindehoheit aus. Dieser Rechtszustand im Land Preußen ist bis zum 30. September 1928 geblieben (vgl. chronik 14, Seiten 3 bis 5).

Neue große Scheunen wurden ebenso wie Landarbeiterkaten zwischen 1898 und 1914 im neugotischen Stil der wilhelminischen Kaiserzeit (1871 bis 1918) unter Kroghscher Regie erbaut. Alle Groß Weedener Bauten jener Jahre sind an den Firsten mit den meist aus Eisen geschmiedeten Initialen E.v.K. versehen worden.

Die zum Gut gehörende Ziegelei (vgl. chronik 38, Seite 7) erhielt um die Jahrhundertwende einen modernen Brennofen. Das alte Herrenhaus wurde 1913 abgerissen. Nach den Plänen des Architekten Erich Elingius aus Hamburg ist 1914 [1913] ein neues herrschaftliches Gebäude entstanden.

Emil von Krogh ist 1941 gestorben, seine Frau 1955. Vor ihrem Tode befürchtete Emma von Krogh, daß nach dem damals geltenden Reichssiedlungsgesetz, das seinen Ursprung in den Jahren der Weimarer Republik (1919 bis 1933) hatte und weiterhin gültig war, das Gut Groß Weeden aufgelöst und aufgesiedelt werden könnte, weil es verschuldet war. In ihrem Testament suchte die Gutsbesitzerin solche Gefahr zu bannen. Das Gut wurde unter Sohn Bernhard und Enkel Uwe aufgeteilt. Uwe erhielt mit 187 Hektar Land den Gutskern. Bernhard übernahm knapp hundert Hektar landwirtschaftliche Fläche und die Ziegelei; dies Erbteil wurde mit allen Schulden belastet. Durch diesen juristischen Schachzug konnte eine Gutsaufsiedlung tatsächlich vermieden werden. Doch mit Ausnahme von einer kurzen Blütezeit Ende der fünfziger Jahre, als in Groß Weeden aus viel Obst und Gemüse angebaut wurde, kam man mit der Bewirtschaftung auf die Dauer nicht wieder auf einen grünen Zweig. Der seit dem Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945) befohlene Tabakanbau lief 1949 aus, weil mit ihm kein Gewinn mehr zu erzielen war.

1979 kaufte die in Bad Oldesloe ansässige Familie Hans Ströh den 1954 konzipierten kleineren Teil der Gutsfläche. Das Gesamtgut hatte sie seit 1967 gepachtet und bewirtschaftet. Die Ziegelei wurde von 1946 bis 1972 von der lübschen Possehlgruppe genutzt (vgl. Chronik 16, Seite 11).

Der größere Teil des Guts ging zum 1. Juli 1987 in den Besitz der Schleswig-Holsteinischen Landgesellschaft über. Er wurde im Auftrage der Landesregierung letztlich „zur Sicherung von Flächen für Mülldeponien" erworben. Zeitweise hatte in Lübeck die Absicht bestanden, Groß Weeden für die Hansestadt an der Trave entsprechend zu nutzen, sobald die Deponie Niemark voll war. Niemark kann nur bis zu einer gewissen Höhe aufgestockt werden, weil sonst der Betrieb des Flughafens Lübeck-Blankensee gefährdet wäre. Flugzeuge hätten bei einem zu hohen Müllberg Lande- und Startschwierigkeiten. Am 1. Juli 1991 hat die Gesellschaft für Beseitigung von Sonderabfällen mit Sitz in Kiel alle zum Gutskern Groß Weeden gehörenden Flächen und Einrichtungen gekauft. Es handelt sich um die Gesellschaft, die in den früheren Ziegeleigruben seit den achtziger Jahren eine Sondermülldeponie für besondere Abfälle aus Schleswig-Holstein und aus der Freien und Hansestadt Hamburg unterhält. Die Abfallgesellschaft läßt bis auf weiteres von der vormaligen Eigentümerin, also von den Gutskern verwalten. Das Gesamtgut wird nach wie vor durch die Familie Hans Ströh landwirtschaftlich genutzt."